Nachhaltig divers? 

Warum Investoren verstärkt darauf achten, ob Führungsteams in Unternehmen vielfältig sind

„Diversität ist ein wichtiger Baustein guter Unternehmensführung“

Frankfurt am Main, den 28.03.2023 - Investoren achten zunehmend auf eine systematische Verankerung von Diversität in der Führung von Unternehmen, in die sie investieren. Darüber haben wir mit Dr. Vanda Rothacker, Senior ESG-Analystin mit Schwerpunkt Corporate Governance, gesprochen.
Ausrichtung des Unternehmens zukunftsweisend definiert und zeigt, was es einzigartig macht. Ausrichtung des Unternehmens zukunftsweisend definiert und zeigt, was es einzigartig macht.

Frau Dr. Rothacker, kürzlich hat die Initiative Investors4Diversity eine Studie zum Einfluss von Investoren auf die Diversität in deutschen Aufsichtsräten und Vorständen veröffentlicht. Warum ist Diversität ein Nachhaltigkeitsthema beziehungsweise ein Thema guter Unternehmensführung (Corporate Governance)?

Unterschiedliche Perspektiven wirken sich positiv auf die Bewältigung von Krisen aus. Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Diversität und besserem Risikomanagement gibt. Arbeitet beispielsweise ein angemessener Anteil an Frauen im Management, werden Risiken früher erkannt und es herrscht unter anderem ein besseres Verständnis für die Interessen der Aktionäre, die in dem Unternehmen investiert sind.

Also trägt Diversität dazu bei, Anleger zu schützen?

Ja, unter anderem. Den Studien zufolge steigt bei einem höheren Anteil von Frauen in der Führungsetage auch die Nachhaltigkeit des Unternehmens grundsätzlich. Es kommt zu weniger Umweltverstößen und die CO2-Emissionen sinken. Banken mit mehr Frauen im Management nehmen über die Kreditvergabe zudem einen größeren Einfluss auf die nachhaltige Transformation der Wirtschaft. Hierzu gibt es eine spannende Untersuchung der Europäischen Zentralbank. Sie zeigt, dass Geldinstitute mit stärker geschlechterdiversen Führungsgremien aussichtsreichen Transformationskandidaten attraktivere Kreditkonditionen gewähren. Das ist ein klarer Anreiz für die Unternehmen, sich nachhaltiger aufzustellen.

Man könnte also sagen, dass Diversität Voraussetzung für eine gute Unternehmensführung ist. 

Sie ist zumindest ein wichtiger Baustein für eine gelungene Corporate Governance. Grundsätzlich stehen die verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit, also E (Environment/Umwelt), S (Soziales) und G (Governance/ Unternehmensführung) gleichberechtigt nebeneinander. Man kann Governance aber auch als einen Katalysator zur besseren Erreichung von E- und S-Zielen ansehen. Deshalb ist Diversität nicht allein dem Bereich Soziales zuzuordnen, sondern eben auch der Unternehmensführung. Ein Beispiel, das es vielleicht greifbarer macht: Eine möglichst große Biodiversität trägt maßgeblich zur Stabilität von Ökosystemen bei. Genauso verhält es sich mit den unterschiedlichen Perspektiven in der Unternehmensführung.

Welche Möglichkeiten haben Investoren, Einfluss darauf zu nehmen, dass sich die Vielfalt in Unternehmen, generell und im Management, verbessert?

Wichtig ist, dass wir als Investoren von unserem Stimmrecht auf Hauptversammlungen Gebrauch machen. Wir können die Zusammensetzung von Aufsichtsräten mitbestimmen, zumindest den Teil der Kapitalvertreter. Auf die Besetzung der Arbeitnehmervertreter haben wir keinen Einfluss. In unseren Abstimmungsrichtlinien für die Aktionärstreffen haben wir festgeschrieben, dass wir einen Anteil von mindestens 30 Prozent Frauen bei den Kapitalvertretern im Aufsichtsrat anstreben. Verstößt ein Unternehmen dagegen, nutzen wir unser Stimmrecht, um Kandidaten für das Gremium abzulehnen. Das 30-Prozent-Ziel für Aufsichtsräte ist in Deutschland seit einigen Jahren auch eine gesetzliche Anforderung – wir fordern diesen Anteil aber in den Aufsichtsgremien aller Unternehmen, also auch den ausländischen.

Was kann Union Investment als Treuhänderin der Anleger noch tun?

Aus meiner Sicht ist Engagement, also ein kontinuierlich geführter Dialog mit den Unternehmen, der wichtigste Hebel, den wir haben. Hier fordern wir immer wieder, dass Unternehmen über eine Diversity-Politik verfügen, sich entsprechende Ziele für Diversität – sowohl für das Unternehmen im Ganzen als auch für die oberen Führungsebenen – setzen, sie diese veröffentlichen und sich an der Erreichung von Zwischenzielen messen lassen. Auch eine stringente Nachfolgeplanung, insbesondere für Vorstand und Aufsichtsrat, ist eine wichtige Stellschraube für eine vielfältigere Besetzung. Wir achten darauf, dass die Unternehmen ihre Ziele umsetzen und fragen regelmäßig nach. Im Übrigen fordern und fördern wir nicht nur Geschlechterdiversität sondern auch eine Verbesserung der Vielfalt im Sinne von Alter, beruflichem Hintergrund und kultureller Prägung.  

Das ist ein guter Hinweis. In Deutschland bezieht sich Diversität in erster Linie auf das Thema Gender, also Geschlecht. Warum?

Zum einen gibt es hier noch viel Nachholbedarf. Das trifft im Übrigen auch auf das Thema Internationalität zu. Die eingangs erwähnte Studie zeigt, dass sich bei einem erheblichen Anteil an Unternehmen deren grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit nicht in der Besetzung der Führungsgremien widerspiegelt. Aber anders als beispielsweise in den angelsächsischen Ländern scheint hierzulande der Druck in dieser Richtung noch nicht hoch genug zu sein. Andererseits ist Vielfältigkeit mit Blick auf Gender recht gut abgrenzbar und messbar, zumindest wenn man von einer Frauenquote spricht. Hier kommen uns die gesetzlichen Anforderungen für die diverse Besetzung von Aufsichtsräten und neuerdings auch von Vorständen zu Hilfe. Diese gelten zwar nur für Unternehmen ab einer bestimmten Größe, wir fordern die entsprechende Vielfältigkeit allerdings von allen Unternehmen.

Union Investment schneidet in der Analyse von Investors4Diversity sehr gut ab. Die beste Bewertung haben insgesamt nur vier Fondsgesellschaften erhalten. Was steckt hinter diesem Erfolg?

Wir setzen uns intensiv mit dem Thema Diversität in Vorstand und Aufsichtsrat von Unternehmen auseinander. Dadurch können wir das Thema sowohl in unserer Abstimmungsrichtlinie bestmöglich abbilden und entsprechend auf den Hauptversammlungen abstimmen, als auch regelmäßig im Dialog mit den Unternehmen diskutieren. Beim Engagement ist es nicht damit getan, das Thema Diversität einmal anzusprechen, man muss es immer wieder tun und Zwischenziele abfragen. Vielfalt in der Führungsriege ist uns auch deshalb so wichtig, weil sie Signalwirkung, etwa auf den Bereich Soziales hat. Union Investment arbeitet übrigens auch daran, Diversität und Inklusion im eigenen Haus über eine entsprechende Initiative systematisch zu fördern.  

Zur Person

Dr. Vanda Rothacker ist im Portfoliomanagement von Union Investment als Senior ESG-Analystin mit Schwerpunkt Corporate Governance tätig. Sie ist für die Abstimmung auf Hauptversammlungen zuständig und vertritt im regelmäßigen Dialog mit den Aufsichtsratsvorsitzenden die Interessen der Anleger von Union Investment. Sowohl in den Unternehmensgesprächen als auch über ihre Gremienarbeit setzt sie sich für die Verbesserung der Corporate Governance von Unternehmen ein.

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